Wenn Täter-Gutachter die Opfer begutachten

Anstatt mit dem zweiten Teil der Zusammenfassung fortzufahren habe ich beschlossen zunächst von einem weiteren Skandal zu berichten, der sich im Rahmen des Opferhilfe Gerichtsverfahrens ereignet hat.

Im Verlauf des Gerichtsverfahrens zur Feststellung der Schäden und Folgeschäden, die ich durch die langjährige sexuelle Gewalt in der Kindheit und Jugendzeit erlitten habe, wurde nämlich durch das Sozialversicherungsgericht Winterthur nach fast 4 Jahren endlich ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Dazu muss ich noch ausführen, dass wir (Anwalt und ich) dem Gericht vorgängig eine Liste mit geeigneten Gutachterinnen und Gutachtern mit Erfahrung im Umgang mit Opfern geliefert hatten, die jedoch vom Gericht alle ignoriert wurden. Auch die Bitte, möglichst durch eine Gutachterin begutachtet zu werden, da ich durch die durch Männer erlittene sexuelle Gewalt in der Kindheit und Jugendzeit allgemein Mühe habe, mich Männern gegenüber diesbezüglich zu öffnen, wurde vom Sozialversicherungsgericht Winterthur ignoriert.

Stattdessen hat das Sozialversicherungsgericht Winterthur dem deutschen forensischen Täter-Gutachter Dr. med. Steffen Lau diesen Auftrag erteilt, der in der Psychiatrischen Klinik Rheinau unter anderem ausgerechnet Sexualstraftäter begutachtet.

Dass dem so ist, belegt übrigens die Stellenbeschreibung der PUK, in der von „strafrechtlicher Gutachtertätigkeit bei Gewalt- und Sexualstraftätern“ die Rede ist, sowie folgende Links, in denen vom Täter-Gutachter Dr. Med. Steffen Lau berichtet wird bzw. er sich selber zu seiner Tätigkeit äussert.

– Steffen Lau der Schauspieler

– Steffen Lau der Gefährlichkeitsmanager

Ich bin der Meinung dass dies eigentlich bereits skandalös genug ist, um diesen Gutachter, was die Begutachtung von Opfern ganz allgemein betrifft, komplett zu disqualifizieren, insbesondere jedoch bei Opfern von eben solchen Sexualstraftätern, die dieser Gutachter normalerweise begutachtet.

Doch wie wenn das nicht bereits genug wäre, strotzte das von ihm erstellte Gutachten auch noch nur so von Fehlern. Der Gutachter hat nicht nur bereits bekannte und korrigierte fehlerhafte Passagen aus den Akten einfach unkorrigiert übernommen, er hat auch Dinge erfunden, die nie gesagt wurden. Nicht einmal die Daten (Jahreszahlen, Zeiträume, Reihenfolge, Alter etc.) waren korrekt, obwohl er ganz klar darauf hingewiesen wurde, dass diese in den Akten falsch sind.

Darüber hinaus wurde anstatt einem SKID-D und/oder IK-PTBS nur ein SKID-II durchgeführt. Dieser Test mag bei Straftätern für die Feststellung von Persönlichkeitsstörungen womöglich relevant sein, hat jedoch sicherlich keinerlei Aussagekraft, was die Feststellung von Langzeitschäden bei Opfern mit Typ-II Traumatas betrifft.

Ganz allgemein empfand ich die Begutachtung als qualitativ minderwertig, das Gespräch war zu kurz, Aussagen meinerseits wurden ignoriert, Fakten wurden verdreht oder sogar erfunden, falsche Tests wurden durchgeführt und so ist es natürlich kein Wunder, wenn das resultierende Gutachten dann selber minderwertig ist.

Zu den krassesten verdrehten und erfundenen Dingen gehören unter anderem, dass im Gutachten Personen für tot erklärt wurden die heute noch leben, ganze Zeiträume verwechselt wurden, Namen erfunden wurden, die weder im Gespräch genannt noch in den Akten enthalten sind, völlig falsche Altersangaben gemacht wurden und sogar Dinge die mein Vater in seiner Kindheit erleiden musste, plötzlich mir zugeschrieben wurden. Der Gutachter verwechselte sogar Medikamente und deren Wirkung.

Geradezu grob fahrlässig finde ich aber den Umstand, dass der Gutachter dann auch noch sämtliche Bitten für eine Gutachten-Vorbesprechung einfach ignoriert hat, noch bevor das Gutachten erstellt war, hat er von mir insgesamt 4 Schreiben erhalten, in denen er um eine Gutachten-Vorbesprechung gebeten wurde, welche von ihm nie beantwortet wurden. Nicht einmal der Erhalt der Schreiben wurde von ihm bestätigt. Dass er diese erhalten hat, wurde dann aber bei einem Telefongespräch von seiner Sekretärin bestätigt, Zitat: “… hmm, ja hmm die Schreiben, ja ja kamen, naja, hmm ich kann sie ihm ja nochmals vorlegen …“

Dieser Gutachter war meiner Meinung nach einfach nur schlampig, er liess mich nach der Auftragserteilung 1 Jahr warten, dann gab es ein kurzes Gespräch, in dem ich kaum die Zeit hatte, überhaupt das wichtigste zu erzählen, geschweige denn die zahlreichen fehlerhaften Passagen in den Akten zu besprechen.

Und beim zweiten Termin war er kaum mehr anwesend und liess von einem anderen den irrelevanten SKID-II sowie einen billigen Persönlichkeitstest alla Scientology durchführen. Und obwohl das kaum eine Basis für die Erstellung eines solchen Gutachtens sein kann und er auch von mir darauf hingewiesen wurde, dass die Daten in den Akten berichtigt werden müssten, hat er sämtliche Bitten für eine Gutachten-Vorbesprechung, bei der man wenigstens die gröbsten Fehler hätte beseitigen können, einfach ignoriert.

Neben den bereits aufgeführten offensichtlichen Mängeln, hat das Gutachten dann auch keine der im Fragekatalog enthaltenen Fragen wirklich beantwortet. Der Gutachter flüchtete sich in schwammige Psychofloskeln und meinte, er könne die Fragen unter anderem auch mangels Fachliteratur nicht abschliessend beantworten. Die von ihm angeführte mangelnde Fachliteratur und Fachkenntnis zur Thematik hat ihn aber offensichtlich nicht daran gehindert, auch noch meine Opfererfahrungen und das erlittene Unrecht zu bagatellisieren.

Doch nicht nur der Gutachter hat alle unsere Bitten ignoriert, auch das Sozialversicherungsgericht Winterthur hat sämtliche Einwände betreffend diesem minderwertigen, nicht-aussagekräftigen und fehlerhaften Gutachten ignoriert. So ignorierte das Sozialversicherungsgericht Winterthur unter anderem, dass das Gutachten bereits in formaler Hinsicht eine Vielzahl gravierender Fehler aufwies, dass bereits die erhobene Anamnese unvollständig und auch falsch war, sowie das Gutachten bereits in der Ausgangslage auf einer unvollständigen Aktenlage beruhte.

Die allergrösste Frechheit war dann aber die Behauptung des Bundesgerichtes, wonach wir (Anwalt und ich) uns ja gar nicht bzw. nicht genügend über das Gutachten beschwert hätten, obwohl alleine die Berichtigungen betreffend Gutachten mehr als 8 Seiten umfassten und von uns auch ganz klar festgehalten wurde, dass es nicht mal im geringsten den Qualitätsleitlinien für psychiatrische Gutachten der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie SGPP entspricht.

Für den Fall, dass ein Journalist Interesse hat, einen Artikel darüber zu schreiben, stelle ich gerne sämtliche Gerichtsakten, Dokumente und Korrespondenz zur Verfügung, die das und alles andere belegen, es gibt Ordnerweise davon.

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